BFH: Keine verdeckte Gewinnausschüttung wegen bloß tatsächlicher Nutzungsmöglichkeit einer spanischen Immobilie

Der BFH hat Urteil vom 1.10.2024 (VIII R 4/21) Folgendes entschieden (amtliche Leitsätze): 

1. NV: Die bloß tatsächliche Möglichkeit des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft, ein betriebliches Wirtschaftsgut der Kapitalgesellschaft (hier: Wohnimmobilie) auch privat nutzen zu können (hier: zu Wohnzwecken), führt für sich genommen beim Gesellschafter noch nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA).

2. NV: Eine vGA kann aber anzunehmen sein, wenn die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein betriebliches Wirtschaftsgut unentgeltlich oder verbilligt auch zur privaten Nutzung überlassen hat (Zuwendung).

3. NV: Eine vGA kann auch vorliegen, wenn der Gesellschafter das betriebliche Wirtschaftsgut ohne Nutzungsvereinbarung oder entgegen einem Nutzungsverbot privat nutzt und sich so zulasten der Gesellschaft einen Vorteil verschafft, der ihm von der Gesellschaft nicht zugewendet worden ist.

Auszug aus den Gründen

"(...)

aa) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die Beteiligung an einer spanischen S.L. der Beteiligung an einer GmbH nach deutschem Recht vergleichbar ist. Ob und in welcher Höhe eine vGA vorliegt, ist auf der Gesellschaftsebene einerseits und der Gesellschafterebene andererseits jeweils eigenständig zu entscheiden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 16.12.2014 - VIII R 30/12, BFHE 248, 325, BStBl II 2015, 858, Rz 42, m.w.N.).

bb) Eine vGA im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt beim Gesellschafter vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 14.02.2022 - VIII R 29/18, BFHE 276, 49, BStBl II 2022, 544, Rz 12; vom 10.12.2019 - VIII R 2/17, BFHE 267, 361, BStBl II 2020, 679, Rz 24). Dafür bedarf es bei der Kapitalgesellschaft weder der Absicht, den Gewinn verdeckt auszuschütten noch des Bewusstseins, dass Gewinn verdeckt ausgeschüttet wird (vgl. Senatsurteil vom 28.01.1992 - VIII R 207/85, BFHE 167, 90, BStBl II 1992, 605, unter 1.f, m.w.N.).

(1) Ein Vermögensvorteil liegt beim Gesellschafter vor, wenn dieser über ein bestimmtes, messbares Gut in Geld oder Geldwert verfügen kann (§ 8 Abs. 1 EStG; ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 25.05.2004 - VIII R 4/01, BFHE 207, 103, unter II.2.b cc aaa [Rz 25]). Eine vGA ist beim Gesellschafter zu erfassen, sobald ihm der Vermögensvorteil zufließt (vgl. Senatsurteil vom 19.06.2007 - VIII R 54/05, BFHE 218, 244, BStBl II 2007, 830, unter II.1.).

(2) Eine gesellschaftliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer den Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 05.09.2023 - VIII R 2/20, BFH/NV 2024, 9, Rz 17, m.w.N.).

(3) Die bloß tatsächliche Möglichkeit, auf ein betriebliches Wirtschaftsgut der Kapitalgesellschaft zugreifen zu können, um dieses auch privat zu nutzen, führt für sich genommen beim Gesellschafter noch nicht zu einer vGA. Dem entspricht die bisherige Rechtsprechung zur vGA, die an einen tatsächlichen Nutzungsvorteil anknüpft (vgl. beispielsweise zur privaten Nutzung eines Betriebs-Personenkraftwagens ohne entsprechende Gestattung BFH-Urteil vom 17.07.2008 - I R 83/07, BFH/NV 2009, 417; zur privaten Nutzung eines Flugzeugs BFH-Urteil vom 22.12.2010 - I R 47/10, BFH/NV 2011, 1019, Rz 18). Andernfalls müssten Kapitalgesellschaften vorsorglich Nutzungsverbote gegenüber ihren Gesellschaftern aussprechen, um eine vGA zu vermeiden. Einem Nutzungsverbot eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegen sich selbst käme allerdings nur ein geringer Beweiswert zu. In letzter Konsequenz müsste ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer ein Nutzungsentgelt an die Gesellschaft entrichten, um die Annahme einer vGA abzuwenden, obwohl eine private Nutzung tatsächlich nicht stattfindet.

(4) Eine vGA kann aber anzunehmen sein, wenn die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein betriebliches Wirtschaftsgut (unentgeltlich oder verbilligt) auch zur privaten Nutzung überlassen hat (Zuwendung). Dann liegt der Vorteil des Gesellschafters bereits in der Möglichkeit der privaten Nutzung; einer tatsächlichen Nutzung bedarf es nicht. In diesem Zusammenhang hat der BFH bereits entschieden, dass die unentgeltliche, ganzjährige Nutzungsüberlassung einer spanischen (Ferien-)Immobilie beim nutzungsberechtigten Gesellschafter zu einer vGA nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG führen kann (BFH-Urteil vom 12.06.2013 - I R 109-111/10, BFHE 241, 549, BStBl II 2013, 1024, Rz 12 f.). In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte eine spanische S.L. ihren in Deutschland ansässigen Gesellschaftern eine in Spanien belegene (Ferien-)Immobilie ganzjährig zur jederzeitigen Nutzung überlassen. Die Gesellschafter bewohnten die Immobilie bei verschiedenen Aufenthalten. Ein Entgelt mussten sie dafür nicht entrichten. Dritten wurde das Objekt nicht überlassen. Die Kapitalgesellschaft verzichtete dadurch gegenüber ihren Gesellschaftern auf eine Vermögensmehrung in Gestalt der marktüblichen Entgelte für die dauerhafte Überlassung der Immobilie zur Nutzung. Dies führte bei den Gesellschaftern zu entsprechenden Kapitaleinkünften (vgl. BFH-Urteil vom 12.06.2013 - I R 109-111/10, BFHE 241, 549, BStBl II 2013, 1024, Rz 13).

(5) Eine vGA kann auch vorliegen, wenn der Gesellschafter das betriebliche Wirtschaftsgut ohne Nutzungsvereinbarung oder entgegen einem Nutzungsverbot privat nutzt und sich so zulasten der Gesellschaft einen Vorteil verschafft, der ihm von der Gesellschaft nicht zugewendet worden ist. Der Vorteil des Gesellschafters liegt dann in der tatsächlichen privaten Nutzung, für die ein (angemessenes) Entgelt nicht entrichtet worden ist. Dem entspricht auf Ebene der Kapitalgesellschaft eine verhinderte Vermögensmehrung in Gestalt der für die tatsächliche Nutzung entstandenen Ansprüche gegen den Gesellschafter. In einem solchen Fall muss die Nutzung zu privaten Zwecken festgestellt werden.

(...)"

Anmerkung

Da die bloß tatsächliche Nutzungsmöglichkeit des Gesellschafters nicht für eine verdeckte Gewinnausschüttung ausreicht, muss das Finanzamt die tatsächliche Nutzung bzw. Nutzungsüberlassung der Immobilie an die Gesellschafter (zukünftig) feststellen. Die Gesellschafter trifft bei der Aufklärung ds Sachverhalts eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Betroffene Gesellschafter sollten daher die maßgebenden Umstände (Urlaub in anderen Staaten, entgeltliche Nutzungsüberlassung an Dritte, umfassender Umbau, umfassende Verkaufsbemühungen) dokumentieren. Zulässig sind grundsätzlich alle Beweismittel, z.B. Flugschein, Rechnungen von Versorgern (Strom, Wasser, Gas), Anzeigen betreffend den Verkauf. 

Auch nach spanischem Steuerrecht kann eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen sein, wenn die Gesellschafter keine angemessene Miete für die Nutzung der Immobilie an die Gesellschaft zahlt. Dabei wird auf die ortsübliche Miete (valor normal del mercado) abgestellt. 

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