OLG München: Verwirkung der Vergütung des Testamentsvollstreckers bei unrechtmäßiger Mittelentnahme

Leitsätze

1. Zur Verwirkung des Anspruchs auf Testamentsvollstreckervergütung bei unrechtmäßiger Mittelentnahme aus dem Nachlass durch den Testamentsvollstrecker.

2. Zur Prozessführungsbefugnis der Erben im Rückforderungsprozess gegen den Testamentsvollstrecker.

OLG München, Urt. v. 7.4.2025 – 33 U 241/22

Auszug aus den Gründen

"b) Der Beklagte hat jedoch die ihm zustehende Vergütung in voller Höhe verwirkt.

aa) Eine Verwirkung des Anspruches des Testamentsvollstreckers auf Vergütung (§ 242 BGB) ist (nur) anzunehmen, wenn dieser in besonders schwerwiegender Weise vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen seine Amtspflichten verstoßen hat (BGH, Urteil vom 05.05.1976, IV ZR 53/75, BeckRS 1976, 31116740; BGH, Urteil vom 13.06.1979, IV ZR 102/77, BeckRS 1979, 31116601). Eine Verwirkung kann auch dann eintreten, wenn der Testamentsvollstrecker sich bewusst über die Interessen, für die er als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, hinwegsetzt und mit seiner Tätigkeit eigene Interessen oder die anderer Personen verfolgt, oder wenn ihm die Interessen der von ihm betreuten Personen ganz gleichgültig sind und er sein Amt so nachlässig versieht, dass von einer ordnungsgemäßen (pflichtgemäßen) Amtsführung nicht die Rede sein kann (BGH, Urteil vom 13.06.1979, IV ZR 102/77 Rn. 11).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Vergütungsanspruch hier jedenfalls dadurch verwirkt, dass der Testamentsvollstrecker – wie er selbst einräumt – die vom Senat von ihm als beweisbelasteter Partei angeforderten Kostenvorschüsse für die im vorliegenden Verfahren angefallenen Auslagen des Sachverständigen aus dem Nachlass entnommen hat, obwohl es sich im vorliegenden Rechtsstreit um eine Klage gegen den Testamentsvollstrecker persönlich handelt, für deren Kosten er persönlich aufzukommen hat. Insoweit hat der Testamentsvollstrecker zumindest grob fahrlässig mehrmals eine erhebliche Pflichtverletzung begangen.

(1) Gemäß § 2213 BGB darf der Testamentsvollstrecker nur bei Prozessen, die sein Amt betreffen, die Kosten aus dem Nachlass entnehmen, nicht aber bei Prozessen, die ihn persönlich betreffen. Um persönliche Klagen oder Verfahren handelt es sich bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 2219 BGB wegen einer Verletzung einer Amtspflicht und bei Klagen, die Vergütungsansprüche des Testamentsvollstreckers betreffen (§ 2221 BGB) (BGH, Urteil vom 04.02.1987, IVa ZR 229/85, BeckRS 1987, 738; Mayer/Bonefeld/Tanck, Testamentsvollstreckung-HdB/Mayer/Bonefeld, 5. Aufl. 2022, § 11 Rn. 25).

Nachdem vorliegend die Vergütungsansprüche des Beklagten streitgegenständlich sind, kam eine Entnahme aus dem Nachlass nicht in Betracht.

(2) Die (wiederholte) Entnahme von insgesamt 27.000,00 € für die Kosten seiner eigenen Prozessführung stellt eine erhebliche und fortgesetzte Verletzung der dem Testamentsvollstrecker obliegenden Pflichten dar. Dabei kann dahinstehen, ob es sich insoweit um eine Untreue im Sinne des § 266 StGB handelt. Allerdings ist der Testamentsvollstrecker grundsätzlich tauglicher Täter einer Untreue, wenn er die ihm im Außenverhältnis eingeräumte Verfügungsmacht im Innenverhältnis missbraucht (BeckOK StGB/Wittig, 63. Ed. 01.11.2024, § 266 Rn. 11.1; Kroiß/Horn/Solomon, NachfolgeR/Holling, 3. Aufl. 2023, StGB, § 266 Rn. 3). Insoweit liegt eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch den Beklagten zumindest nicht fern. Selbst wenn keine Untreue vorliegen sollte, handelt es sich bei der Entnahme von insgesamt 27.000,00 € aus dem Nachlass für eigene Zwecke des Testamentsvollstreckers um eine erhebliche Verletzung seiner Pflichten, durch die die Interessen des Nachlasses schwer beeinträchtigt wurden. Dass der Beklagte zwar irrig, allerdings in dem Bestreben, sein Amt zum Wohle der Erben auszuüben, gehandelt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.1979, IV ZR 102/77, BeckRS 1979, 31116601; BGH, Beschluss vom 27.11.2004, IV ZR 243/03, BeckRS 30346902), ist nicht ersichtlich.

(i) Schon die erstmalige Entnahme von 10.000,00 € stellt eine erhebliche Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers dar. Dabei vermag dahinzustehen, ob das tatsächliche Vorbringen des Beklagten in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 06.03.2025 zu berücksichtigen ist, wonach der Beklagte kein Volljurist ist. Gerade wenn man zugunsten des Beklagten berücksichtigen würde, dass er zwar Notar, gleichwohl kein Volljurist war, entlastet ihn die damit inzident behauptete mangelnde Rechtskenntnis nicht. Dass ein Testamentsvollstrecker kein Geld aus dem Nachlass zur Verfolgung eigener Interessen entnehmen darf, liegt auf der Hand und bedarf keiner juristischen Expertise. Wäre sich der Beklagte insoweit unsicher gewesen, hätte er sich qualifizierten Rechtsrat einholen müssen, wobei bereits ein Blick in einen Standardkommentar genügt hätte, um zum vorgenannten Ergebnis zu kommen. Das hat der Beklagte jedoch nicht einmal nach seinem eigenen Vortrag getan. Damit hat er sich in besonderer Art und Weise sorglos verhalten und seine eigenen Interessen über die des Nachlasses gesetzt.

(ii) Hinzu kommt, dass schon der zunächst entnommene Betrag in Höhe von 10.000,00 € dem Nachlass einen erheblichen Schaden zufügt. Das gilt sowohl in Relation zu den vom Beklagten geltend gemachten Vergütungsansprüchen als auch zum Wert des Gesamtnachlasses; ein umfangreicher und werthaltiger Nachlass ist insoweit nicht weniger schutzwürdig als ein überschaubarer Nachlass.

(iii) Die Entnahme weiterer 17.000,00 € aus dem Nachlass stellt ebenfalls eine schwere Pflichtverletzung dar. Insbesondere aus der vorgelegten Email vom 07.08.2023 ergibt sich, dass der Beklagte erneut tätig geworden ist, ohne sich zuvor sachkundig beraten lassen zu haben. Darauf deutet schon der Wortlaut der Email („tendiert …dazu“) selbst hin, der geradezu auf das Gegenteil einer fundierten rechtlichen Prüfung verweist. Im Übrigen gilt das oben Gesagte: Entweder, dem Beklagten drängt sich selbst auf, dass er zur Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen dem Nachlass kein Geld entnehmen darf oder aber er lässt sich umfassend und qualifiziert juristisch beraten. Dass er trotz des vom Kläger beim Nachlassgericht wegen der ersten Entnahme gestellten Entlassungsantrags und wiederum ohne fundierte Beratung erneut einen ganz erheblichen Geldbetrag aus dem Nachlass entnommen hat, zeigt, dass er zur Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen bewusst die Augen vor den Konsequenzen seines Handelns verschlossen und die Interessen der Erben völlig außer Acht gelassen hat. Dies stellt eine grobe Pflichtverletzung seitens des Beklagten dar.

(iv) Soweit sich der Beklagte im Verfahren vor dem Senat damit verteidigt, die eingeholten Gutachten kämen dem Nachlass zugute, trifft dies ersichtlich nicht zu und entlastet ihn deswegen nicht.

Der vorliegende Rechtsstreit hat ausschließlich die vom Beklagten behauptete, aus dem Nachlass entnommenen Vergütung zum Gegenstand, denn der Kläger verlangt Rückzahlung eben dieser entnommenen Vergütung an den Nachlass. Die Einholung der Sachverständigengutachten durch den Senat diente mithin allein der Überprüfung der vom Beklagten seiner Abrechnung zugrunde gelegten – und vom Kläger bestrittenen – Nachlasswerte, denn selbstverständlich kann nur der zutreffend ermittelte Nachlasswert Gegenstand einer tabellenmäßigen Vergütung sein. Für den Nachlass hat die Ermittlung der Grundstückswerte mithin keinen Vorteil, zumal die Immobilien für steuerliche Zwecke bereits bewertet sind.

(v) Schließlich entlastet den Beklagten die „vorläufige“ Rückzahlung der Beträge an den Nachlass nicht. Mit der Entnahme des Geldes trug der Nachlass das Insolvenzrisiko des Beklagten, weswegen die Pflichtwidrigkeit nicht entfällt, auch wenn sich das Risiko tatsächlich nicht verwirklicht hat. Im Übrigen lässt der Umstand, dass der Beklagte die Beträge lediglich „vorläufig“ zurückgezahlt hat, den Schluss zu, dass er sich immer noch zur Entnahme berechtigt hält. Sein Beharren auf dem Umstand, die Entnahme sei „nicht zu Privatzwecken“ erfolgt, ist vor diesem Hintergrund widerlegt.

(3) Angesichts des Vorstehenden kann dahinstehen, ob bereits die Entnahme der Honorare der von den Testamentsvollstreckern mit der Grundstücksbewertung beauftragten Fa. S. GmbH eine Pflichtverletzung darstellt, die für sich genommen oder im Zusammenwirken mit den anderen Gründen ebenfalls zu einer Verwirkung der Vergütungsansprüche führen würde. Denn auch für die Einholung dieser Gutachten vermag der Senat keinen Grund zu erkennen.

Dem Testamentsvollstrecker obliegt gemäß § 2215 BGB im Rahmen der Konstituierung des Nachlasses zwar die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses im Sinne einer geordneten, vollständigen und übersichtlichen Zusammenstellung der Aktiva und Passiva (Zimmermann, ZEV 2019, 197), eine Wertermittlung von Grundstücken, oder sonstigen Wertgegenständen oder auch nur eine Beschreibung der Nachlassgegenstände ist jedoch nicht erforderlich (OLG München, 31 Wx 99/08, ZEV 2009, 293; Bengel/Reimann/Holtz/Röhl TV-HdB/Klinger, 8. Aufl. 2023, § 3 Rn. 17; Bonefeld in: Praxiskommentar Erbrecht, § 2215 BGB Rn. 5). Auch gegenüber dem Finanzamt besteht entgegen den Behauptungen des Beklagten keine Pflicht zur Vorlage von Gutachten (BeckOK ErbStG/Baldauf, 26. Ed. 01.01.2025, § 31 Rn. 42; Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk/Jülicher, 69. EL September 2024, ErbStG, § 31 Rn. 13), zumal es sich bei dem beauftragten Gutachter nicht um einen Sachverständigen im Sinne des § 198 BewG gehandelt hat, mit dessen Hilfe ein niedrigerer Verkehrswert für die steuerliche Bewertung hätte nachgewiesen werden können. Warum für eine – hier wegen der beabsichtigten Einbringung in eine Gesellschaft schon nicht anstehende – Verteilung von Vermögenswerten nicht auf die vom Finanzamt ermittelten Werte zurückgegriffen hätte werden können, bleibt ebenfalls im Dunkeln."

Anmerkung

In der Praxis werden oftmals vom Testamentsvollstrecker ohne Rücksprache mit den Erben Kosten dem Nachlass entnommen. Die Entscheidung zeigt auf, dass dies nicht ohne Risiko für den Testamentsvollstrecker und seine Vergütung ist. Daher ist dem Testamentsvollstrecker zu raten die Zustimmung der Erben einzuholen und - wenn diese nicht erteilt wird - auf Feststellung zu klagen. 

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